Dienstag, 24. September 2013

Inseln



Das Archipel - in der Mitte die Île de Marquer

Inseln finde ich grundsätzlich faszinierend. Die Inseln vor der Bretagne haben ihren eigenen Zauber. Und auf manchen von ihnen stehen Häuser, landwirtschaftliche Gehöfte, sogar eine Kapelle findet man.
Eine Gruppe solcher bewohnten Inseln befinden sich vor Port Blanc und Buguélés.
Es ist anzunehmen, dass hier eine zusammenhängende Landmasse existiert hatte, wie es allerdings oft in den flachen Buchten vor der Bretagne der Fall ist. Beweise sind manchmal megalithische Stätten, die bei Flut im Wasser versinken. Wir können davon auszugehen, dass die Errichter dieser Steine keine nassen Füße bekamen, damals vor 4000 oder sogar 5000 Jahre.

Das Archipel

Das Archipel aus Richtung Port Blanc, links Saint Gildas
Hier an diesem Küstenabschnitt gibt es unzählige Inseln und Steinhaufen. Der Boden dazwischen ist bei Ebbe begehbar, sogar mit dem Auto kann man dort fahren. Die gesamte Anse de Gouermel, die Bucht zwischen den beiden Weilern Buguélés und Port Blanc, ist bei Ebbe zu Fuß zu durchqueren.
Eine Frau, die ich einmal bei ihrem Ferienhaus in der Nähe des Castel meur kennenlernte, erzählte mir, dass sie Wanderungen von dort bis Port Blanc machen - quer über den Meeresboden. Sie müssten nur genau die Zeiten einhalten und sich am Ziel nicht zu langen aufhalten, sonst könnten sie auf dem Rückweg Probleme bekommen. Und außen herum auf dem Land ist das ein guter Tagesmarsch, keine gute Idee, dazu gezwungen zu sein.
Bei einer dieser Wanderungen hatten sie und ihr Mann wohl auch die Eigentümer der Enez Illiec kennengelernt. Offensichtlich hatten sie sich nicht ganz an die Regeln der Inselgrenzen gehalten. Seien aber nette Leute, meinte sie, diese Champagnerfabrikanten.
Die meisten der besiedelten Inselchen gehören zu Buguélés, einem Ortsteil von Penvénan.  Gegenüber des kleinen Hafens mit den Fischerbooten befindet sich die Île Balanec und die kleine Île Ozac'h, dazwischen befindet sich eine Moulin marée, eine Gezeitenmühle. Man wusste schon immer die Kraft des Wassers zu nutzen. 

Île de Marquer

Gebäude auf der Île de Marquer
Manche Inseln werden bewirtschaftet. Viehzucht, aber auch Ackerwirtschaft werden dort betrieben. Auf den meisten wurde die Bewirtschaftung jedoch aufgegeben. Realistisch gesehen kann es auch nicht wirtschaftlich sein, diese Inseln heute noch zu bewirtschaften.
Ebenfalls auf der Île de Marquer
Doch meine Vermieterin erzählte mir, dass ihr Vater in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, also während der deutschen Besatzungszeit, auf Saint Gildas als Landarbeiter gearbeitet hatte.
Auf der Île de Marquer, die zweigeteilt ist, sieht man auf Google Earth auch heute noch einen Acker. Die Insel liegt im Westen von Buguélés, an der kleinen Bucht, die es von Port Blanc trennt. Auf dem winzigen Zipfel Festland, der hier ins Meer vordringt, steht ein aktiver Bauernhof. Zur Insel hinüber sind es nur wenige Meter. Anzunehmen, dass der Acker von dort aus bewirtschaftet wird. Über die beiden Gebäude auf der Insel gibt es keine Informationen.
In der Bucht wird der Tang gesammelt und getrocknet. Der Tang dient als Dünger, wird aber auch wie Algen allgemein von der Kosmetikindustrie verwendet.

Privatinseln

Felsen mit Seezeichen am Rand von Saint Gildas
Doch schon damals um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert hatten sich reiche Künstler, Schriftstelle, Maler, auch Wissenschaftler auf den Inseln niedergelassen.
So gehörte Saint Gildas, die größte Insel des Archipels, in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts dem Nobelpreisträger für Medizin, Dr Alex Carrel.
Über Dr. Alex Carrel fand ich Informationen - und wenn man liest, dass er einen Posten im Gesundheitsministerium des Vichy-Regimes hatte und einige Ansichten der Nazis vertrat, versteht man, warum die Universität von Lyon 1994 ihren Namen änderte. Mehr muss man nicht auf seine Person eingehen, das würde den Zauber der Insel stören. Er hatte den Nobelpreis bereits 1912 erhalten. Lassen wir ihn ihm. 

Enez Illiec


Enez Illiec mit dem Lindbergh-Haus

Carrel war Freund, Mentor und Mitarbeiter von Charles Lindbergh, dem Flieger. Als Charles und Anne Lindbergh die Carrels auf ihrer Insel besuchten, waren sie - wen wundert es - fasziniert von der Atmosphäre, dem Land, dem Meer und den Felsen. Sie entschieden sich, das Haus auf der Enez Illiec zu kaufen. „Enez“ ist das bretonische Wort für „Insel“. Dieses Haus war 1876 vom Musiker und Komponisten Ambrose Thomas, der die Oper 'Mignon' komponiert hatte, gebaut worden. 
Enez Illiec bei Ebbe
Die Lindberghs wohnten nur von 1936 bis 1939 auf der Insel. In der Zeit pflanzten sie 500 Zypressen und 500 Pinien. Dank dieser Aktion ist das Inselchen auch heute noch bewaldet. Das Haus hat einen kleinen Turm auf der einen und eine Kapelle auf der anderen Seite. Lindberghfans – Fans der frühen Fliegerei – pilgern heute noch hierher und werden durch die großen Schilder, die das Betreten der Insel untersagen, abrupt gestoppt. Ich bin sicher, nicht jeder lässt sich davon abhalten, die Insel zu betreten, wenn das Haus geschlossen ist.
Nachdem ich schon auf dem Contentin den „Lindbergh Plage“ (in der Nähe von Portbail, südlich von Cherbourg) entdeckt hatte, fand ich es nun schon interessant, hier das Haus zu finden. Die Lindberghs lebten nur diese drei Jahre hier, dann wurde die Situation in Europa zu unruhig, und sie kehrten in die USA zurück. 
Heute gehört diese Insel der Champagner-Familie Heidsieck. 

Saint Gildas

Der Weiler auf Saint Gildas mit dem Seezeichen
Saint Gildas, die größte Insel des Archipels, gehört heute einem belgischen Industriellen und kann wie alle Privatinseln nur bis zum Rand der höchsten Flut betreten werden.
Ein besonderes Spektakel findet dort jährlich im Juni statt: Der Pardon der Pferde. 
Das Seezeichen zeigt die Ecke zum Hafen von Port Blanc an

Pardons sind die Wallfahrten, die jedes Jahr für jeden einzelnen der vielen bretonischen Heiligen stattfinden. Meist werden in den jeweiligen Orten Statuen dieser Heiligen unter Absingen frommer Lieder und dem Verteilen von Weihrauch und -wasser herumgetragen. Und es wird gefeiert.
Die Kapelle auf Saint Gildas
Hier auf Saint Gildas ist es ein Pardon der Pferde. Es wird seit dem 18. Jahrhundert durchgeführt. Es geht die Geschichte, dass vor sehr langer Zeit - in den dunklen Zeiten - alle Pferde des Kontinents durch eine schreckliche Krankheit fast ausgerottet wurden. Nur die Pferde auf der Insel überlebten, weil Saint Gildas sie geschützt hatte. Schön, dass Heilige immer so angenehme Wunder verbringen.
Gebäude auf Saint Gildas
Aus diesem Anlass überqueren jedes Jahr die Pferde der Gegend mit ihren Reitern unter großem Hallo die Bucht. Auch Fußgänger besuchen dann die Insel, es werden sogar Transporte mit Karren angeboten. Es ist der einzige Tag, an dem die Insel betreten werden darf. In der Kapelle wird des Heiligen gedacht, es wird gefeiert, und dann geht es zurück über die Bucht, über den Kieseldamm, zu Fuß, mit dem Karren oder im Galopp auf den Pferden. Die Zeiten sind genau vorgegeben. Das Zeitfenster lässt etwa vier Stunden - zwei davon zwischen Hoch- und Niedrigwasser, und spätestens zwei Stunden nach der Ebbe sollten die Feiernden wieder auf dem Festland sein, sonst gibt es nasse Füße.

Hier ist eine nette PDF-Doumentation mit vielen Fotos von diesem Ereignis: Pardon der Pferde

Ein Sprichwort sagt über jemandem, der trotz seines Alters in Form bleibt:
"Héman zo vel bara sant Weltaz côssad ha chomm fresk"
(Es ist wie das Brot des St Gildas, es altert und bleibt frisch).
Mit Weinreben bewachsen


Île des femmes

 Auf der Îles des femmes
Und dann gibt es am westlichen Ende von Port Blanc die Île des femmes. Die Insel der Frauen. Der Name lässt auf Sagen, Märchen, Mystik schließen. Die bretonischen Namen der umliegenden Plätze klingen sehr geheimnisvoll: gegenüber liegt die Düne Crec'h Avel, stürmische Höhen. "Die Düne des Windes".
Ein Kieselstreifen verbindet die Insel mit dem Festland - Graou Gwragez, auf Französisch Sillon des Femmes, der Kieseldamm der Frauen. Und der Algenstreifen, über den die Boote fahren, ist das Toull ar C'hraou', das Loch am Sillon. Die geologischen Namen der Felsen um die Insel lauten: Roc'hanig - kleiner Fels, im Süden. Der Felsen zwischen der Île des femmes und dem Felsen mit dem Namen Flaqueresse wird Karreg Run ar Geotenn' (Felsen der bewachsenen Eminenz) genannt.
Île de Chateau - weißes Seezeichen für die Einfahrt in den Hafen
Der Felsen Ar Flaterez ist der Berichterstatter, der die aktuelle Strömung ankündigt.
Schon allein diese Namen und die Bedeutungen lassen die Phantasie spielen. Die bretonische Sprache, die eigentlich sehr hart klingt, löst wie die anderen keltischen Sprachen Erinnerungen an die Sagen, Geschichten, an Feen, Korrigans und Drachen aus. Dadurch, dass nichts so klingt wie eine der Sprachen, denen man tagtäglich begegnet, fühlt man sich umso mehr in diese Anderswelt hineingezogen.
Der mündlichen Überlieferung nach jedoch wurde die Insel der Frauen ganz weltlich so genannt, weil durch den bei Ebbe begehbaren Kieseldamm Frauen die Algen auf der Insel trocknen konnten. 
Auch als Steinbruch hatte die Île des femmes im 19. Jahrhundert gedient. Die Narben sind unübersehbar.
Île des femmes von der anderen Seite
Als ich vor einigen Jahren zum ersten Mal auf der Insel war, fand ich einen großen Stein, der durchaus ein umgefallener Menhir oder ein Teil eines Dolmens hätte sein können. Auf ihm befand sich das Zeichen des Triskel, das keltische Zeichen für die Unendlichkeit des Lebensrades.
Auch hier also waren irgendwelche Riten, Feste, Feiern von Neo-Druiden abgehalten worden - wie an dem Felsentisch am Gouffre. Es gibt sie, diese Druiden. Sie leben unter uns...
Den Stein finde ich wieder - das Zeichen ist verschwunden.
Der Zauber bleibt.
 

 
 

 

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