Die Île Grande ist über eine kurze Brücke mit dem Festland verbunden. Eigentlich merkt man nicht, wenn man von der Küstenstraße von Trégastel nach Trébeurden rechts abbiegt, dass man auf eine Insel fährt, vor allem bei Ebbe sieht man erst einmal kein Wasser.
Doch es ist eine Insel.
Ein Küstenweg führt um sie herum, der mit 7 km angegeben ist. Wer nun denkt, man schafft ihn in knapp 2 Stunden, hat sich geirrt. Es gibt Leute, die schaffen die Umrundung schneller, sehen dabei jedoch nichts außer die Beschaffenheit des Pfades, auf den sie ihre Füße knallen. Der Küstenweg ist eine beliebte Joggerstrecke. Über die Mittagzeit traben die Runde. Dabei müssen sie auf dem teilweise sehr schmalen und unwegsamen Pfad ziemlich auf ihre Füße achten, sonst können sie schnell längere Zeit gar nicht mehr gehen.
Ich aber gehe den Weg - zwar nicht gerade gemächlich, aber doch ruhig und mit Genuss. Ich sehe beim Gehen. Mehrmals werde ich während meines Aufenthaltes diese Insel umrunden. Ich mache das jedes Jahr - und es ist nie langweilig.
Die Insel und die kleinen Inseln oder besser Felshäufen um sie herum wurde einst abgebaut. Der graue Granit wurde herausgehauen und aufs Festland gebracht. Man erkennt die Steinbrüche, teilweise auf der Insel, teilweise am Felsenrand. Oft liegen auch große Quader am Wegrand, in denen man die Narben der Werkzeuge, die die Steinhauer benutzten, sieht. Auch die kleinen, unbewohnten Nachbarinseln haben diese Narben. Das Steinehauen war ein hartes Geschäft. Die Männer mussten bei Wind und Wetter die Steinquader heraushauen und, abhängig von den Gezeiten, an Land schaffen. An manchen Stellen sieht man noch die metallenen Schienen der Loren, die sie wohl irgendwann zur Hilfe hatten.
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Das Denkmal für die Steinhauer |
Ich beginne meinen Rundweg an der Segelschule. Warum da fünf Feuerwehrautos, schön poliert und ordentlich aufgereiht, stehen, entzieht sich meiner Kenntnis, hübsch anzuschauen sind sie. Ich parke halt in der vorderen Reihe.
Dann laufe ich los, im Uhrzeigersinn. Vielleicht werde ich ein anderes Mal anders rum laufen oder an einem anderen Parkplatz beginnen - doch auch ohne solche kleinen Abwechslungen wird diese Insel nicht langweilig.
Ich habe sie für mich in einige Etappen eingeteilt, die tatsächlich ziemlich unterschiedlich sind. Von der Segelschule geht es zuerst an der Ostküste entlang durch ein Kiefernwäldchen, Dünen und Gras. Gegenüber liegt Landrellec und dazwischen die Île d'Aval, die Apfelinsel, wie viele Inseln im Privatbesitz. Sie wird für das bretonische Avalon gehalten. Artus soll auf ihr beerdigt sein. Bei Ebbe könnte man hinüber laufen, was ich auch schon mal getan habe, doch es ist verboten, Inseln im Privatbesitz zu betreten. Die Hochwassergrenze ist die Grenze des Privateigentums. Was mich nicht hindert, trotzdem solche Inseln zu betreten, wenn dort niemand ist. Doch auf der Île d'Aval war ich nur damals 1987, als wir zum ersten Mal in der Bretagne waren. Sie hat sich inzwischen sehr verändert, wurde von einem Kartoffelacker in ein parkähnliches Gelände verwandelt. Ein Haus wurde etwas verborgen hinter Kiefern gebaut. Das sieht man durch das Fernglas. Als es noch den Kartoffelacker gegeben hat, sah man auch einen Menhir und ein altes Steinkreuz. Beide sind noch vorhanden, nur nicht mehr so gut zu sehen. Es geht die Sage, dass eines von beidem Artus Grab sei - welches, darf erraten werden... Ich tendiere zum Menhir.
Die nächste Etappe fängt an einem kleine Parkplatz an und führt zuerst einige Meter an einer kleinen Straße entlang, die von der Zufahrtstraße abbiegt. Diese Strecke ist die einzige, bei der der Hund an die Leine muss. Wenn die Zufahrtstraße überquert ist, geht es entlang des verlandeten und nur bei hohen Koeffizienen wirklich überspülten Gebietes zwischen Festland und Insel. Einige Zeit läuft man an den Häusern entlang, deren Gärten bis zum Wasser oder besser den Pfad reichen. Der Ort ist geschützt auf der Festlandseite gebaut, eingeschmiegt in die Höhen, die sich gegen Norden richten.
Auf der höchsten Höhe gibt es eine schöne Allée couverte - ein Tumulus.
Doch um den zu sehen, müsste ich innen durch die Insel hinauf auf die Höhe gehen. Oder ein anderes Mal mit dem Auto hinfahren.
Wenn die Häuser und ihre Gartenmauern enden, hat man an der Westküste erreicht. Zuerst ist dort der kleine Fischerhafen, dann der Campingplatz. Und schließlich die ornithologische Station, die die Vögel der Region betreut und auch das Vogelschutzgebiet bei den Sept Îles vor der Küste beobachtet, wo sich auf der Île Rouzic die größte Basstölpelkolonie Europas befindet. Basstölpel sind die größten Seevögel Europas und mit den Albatrossen verwandt.
Von diesem Küstenteil aus liege die kleinen unbewohnten Inseln, die man bei Ebbe über die Bucht erreichen kann. Auch diese Inseln sind durch den Abbau des Granits zerklüftet. Vor der ornithologischen Station grenzt ein kleiner Landzipfel die Bucht vor dem wilden Kanals ab. Auf diesem Zipfel gibt es eine sehr zerfallene Ruine, ebenfalls aus der Zeit des Granitabbaus.
Nach der Vogelstation beginnt die Nordküste, das offene Meer. Und hier ist es mit der Ruhe vorbei. Hier bricht das Meer gegen die Felsen, es röhrt und tobt, Gischt baut sich auf und stürzt in sich zusammen. Es ist die wilde Küste der Insel. Wenn keine Felsen ins Meer fallen, besteht der Strand aus Kieselsteinen. Seit einigen Jahren scheint es ein Ferienspektakel zu sein, überall die Steinmännchen oder besser Steintürmchen - ganze Steinstädte - aufzutürmen. Es ist ein faszinierender Anblick - und manche der Gebilde sind wirklich bewundernswert, wie dieser Turm. Wie lange diese Kunstwerke halten, weiß ich nicht, aber als ich mal nach einem Sturm an den Stellen vorbei kam, waren die meisten verschwunden. Vergängliche Kunst eben. Schön, dass man sie jederzeit erneuern kann.
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Steinturm |
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