Die Sonne scheint - Grund genug, aufzustehen und das umzusetzen, was ich mir für diesen ersten Tag vorgenommen hatte.
Mein Haus liegt etwas zurückgesetzt am Ende eines Zipfels von Trégastel Plage, genau genommen ist es eine Halbinsel, da auf drei Seiten vom Meer umgeben. Links gegenüber im Südwesten liegt die Halbinsel von Landrellec, davor die kleine Insel Tanguy. Und zu der wollte ich heute gehen. Das hatte ich mir seit langem vorgenommen. Letztes Jahr war ich nicht ein einziges Mal drüben gewesen, da von Anfang an das Wetter zu schlecht gewesen war.
Heute jedoch ist es gut - zumindest noch.
Die Bucht ist frei, zumindest Richtung Landrellec. Ich weiß von gestern, dass das nachmittags Hochwasser sein würde. Einen Zeitplan würde ich erst morgen im Centre Touristique erhalten können.
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Île Tanguy, links Landrellec |
Heute ist der letzte hundefreie Tag am Strand - nach dem 15. September dürfen Hunde hier in Trégastel zum Strand. Doch das hindert mich nicht, mit Buddy über den kleinen Strand zu gehen. Ich achte nur darauf, dass er keine Hinterlassenschaften hinterlässt. Die Überquerung sind nur wenige Schritte. Auf dem Meeresboden ist es egal, denn der wird ja wieder überspült.
Ich trage meine Wanderschuhe. Es ist also sinnvoll, nicht durch zu hohes Wasser zu gehen. Einmal muss ich das Rinnsal, das das Wasser aus der Bucht führt, überqueren, doch es gelingt mir ohne nasse Füße zu bekommen.
Der Aufstieg zum Inselchen führt über eine steinige Geröllhalde. Oben spaltet sich der Pfad. Ein Teil führt an der Küste entlang, der andere ins Zentrum und damit ins Kiefernwäldchen. Ich gehe hinein, überklettere einen toten Baum und bin im Zentrum des Wäldchens, der Insel - und im Zentrum eines Steinkreises. Ich weiß nicht, ob dieser natürlich ist oder eine der unzähligen megalithischen Stätten, die nicht immer auf Karten verzeichnet sind. Ich glaube jedoch, es ist ein Cromlec'h. Einfach weil es mir so gefällt. Literatur habe ich dazu noch immer nicht gefunden. Wenn es sie gibt, dann ohnehin nicht in einer mir verständlichen Sprache. Das ist ein bisschen das Problem. Es wurde nur wenig ins Deutsche übersetzt - und englische Literatur, die es gibt, beschreibt nicht Frankreich.Man müsste sich an Archäologen wenden. Und wieder am Sprachproblem scheitern. Vielleicht sollte ich mal in Tübingen erforschen, ob es da Leute gibt, die sich mit diesem Thema beschäftigen.
Ich setze mich einige Minuten auf einen Stein und lasse die Ruhe, diese Welt, die Abgeschiedenheit auf mich wirken. Ich empfinde diesen Ort als sehr spirituell. Und dann höre ich in meiner Phantasie das Lärmen des Sommers, wenn auf dieser Insel die Touristen Schutz vor der Sonne suchen. Es gibt genügend kleine Nester zwischen den Bäumen, die auf solche Nutzung schließen lassen. Und irgendwie verstehe ich die Leute. Wenn ich Kind wäre, ich wäre begeistert.
Ich bin erwachsen und auch begeistert. Für mich ist dieses Wäldchen auf der Île Tanguy ein Ort der Ruhe. Wobei - wann kommt eigentlich das Wasser? Als ich die Bucht überquerte, war es am Auflaufen. Aber meine Erfahrung sagt mir: Auch wenn ich nicht zur Grève Blanche zurückkönnte, was ich eigentlich gar nicht vorhabe, nach Landrellec würde ich immer kommen. Zumindest noch lange. Auch wenn ich immer noch nicht weiß, wann Hochwasser sein würde. Doch ich kenne die Bucht.
Ich gehe aus dem Wald hinaus an die Felsenküste. Zuerst gehe ich rechts, bis ich genau gegenüber meiner kleinen Siedlung stehe. Das Wasser ist inzwischen auf dem Weg, den ich gekommen bin. Rechts, vor Landrellec und die Bucht hinauf, war es noch frei.
Ich gehe auf dem äußeren Pfad entlang zum Abstieg zurück. Der Pfad ist vom Farn und den Dornbüschen gut zugewachsen. Eine Machete hätte Sinn gemacht. Buddy hält sich an meine Fersen. Ich hoffe wie immer, das er in keine Dornen tritt. Doch er kennt diese Pfade, auch wenn er sie nicht liebt, schon deshalb, weil man als Hund nichts sehen kann.
Schließlich klettern wir die Steine hinunter auf den Sand und gehen Richtung Landrellec oder besser Grannec, den Häusern am Anfang der Halbinsel Landrellec, zum Festland zurück.
Einmal kommen uns zwei Pferde entgegen. Ich kann mir vorstellen, was für einen Spass es macht, auf dem Meeresboden zu galoppieren. Buddy schaut interessiert, aber er kennt Pferde. Und die Pferchen werden auch nicht nervös. Als ehemalige Pferdefrau achte ich bei solchen Begegnungen sehr darauf, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Tieren gibt.
Am kleinen Strand zwischen den Häusern, deren Gärten bis an den Rand der Felsen reichen, gehe ich an Land und folge dem Küstenpfad, der an der Kläranlage vorbei um diese Bucht herum zurück zur Grève Blanche führt. Als wir am Ziel ankommen, ist das Wasser inzwischen so hoch, dass die Íle Tanguy nicht mehr trocken zu erreichen wäre.
Nachmittags kommt dann der Regen. Aber das ist egal. Ich bin noch dabei, mich zu akklimatisieren und brauche Ruhe.
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