Sonntag, 15. September 2013
Die Reise
Es ist weit. Eine endlose Strecke von meinem Wohnort in Baden-Württemberg ins Traumland am westlichen Ende Europas. Knapp 1200 km sind es. Inzwischen kenne ich jeden Kurve - was einfach ist, da es nur wenige sind, wenn man mal über die Vogesen hinweg ist. In den Ebenen Frankreichs sind Kurven relativ selten.
Doch zuerst kommt der Schwarzwald. Und der ist gar schrecklich im Weg. Man kann ja nun die A8 nach Karlsruhe nehmen, was ein Umweg ist. Doch natürlich kommt man schneller voran. Wenn man voran kommt. Das verhindern aber Baustellen. Sehr schön, dass die A8 dreispurig ausgebaut wird, und es sind auch nur noch wenige Etappen, die noch nicht ausgebaut sind oder gerade ausgebaut werden. Aber diese haben es in sich. Seit Jahren fahre ich immer am Donnerstag nach dem 2. Septemberwochenende los. Ich lasse mir Zeit. Ich fahre gerne Auto, aber nicht endlos. Deshalb übernachte ich zwei Mal. So mache ich es, seit ich in die Bretagne fahre. Am ersten Tag kann ich somit erst in Ruhe Mittags losfahren, da die erste Etappe eigentlich nur dazu dient, den nervigen Schwarzwald und die Vogesen zu überwinden. Der Vormittag dient dazu, alles so zu hinterlassen wie es sein soll, wenn ich zurückkomme. Und ich kann noch ein letztes Mal ins Büro, um die Buchführung für die lange Zeit in Ordnung zu machen. Dieses Jahr war ich früh fertig, konnte schon vor Mittag aufbrechen. Doch dann kam die alternative Post. Die Deutsche Post hatte schon rechtzeitig geliefert, die heutigen Rechnungen waren bereits gebucht. Wenn man so lange weg ist, darf man nicht den Überblick über das Konto verlieren. Schließlich wollen alle Rechnungen bezahlt sein. Doch ab einem gewissen Punkt und mit einer gewissen Erfahrung kann man schätzen. Die Rechnungen werden ohnehin abgebucht, es muss nur genügend Geld auf den Konto sein. Leider schicken viele Firmen inzwischen mit den alternativen Postdiensten - und die kommen später am Tag. Heute kam die Dame im strömenden Regen, als ich gerade ins Auto einsteigen wollte - für ihre Begriffe also früh. Fluchend nahm ich den Stoß entgegen und ging ins Haus zurück, fuhr den Rechner wieder hoch und buchte. Nur um bestätigt zu bekommen, dass meine Schätzung vorher absolut korrekt gewesen war und die ganze Aktion auch nach meiner Rückkehr hätte stattfinden können. Eine halbe Stunde später - der Rechner schlief wieder, der Strom war abgezogen und der Drucker ausgestellt - fuhr ich dann endlich wirklich los. Es regnete in Strömen. Die Steige runter ins Flachland war noch immer wegen des Bergrutsches Anfang Juni gesperrt, ich musste also einen anderen Abstieg nehmen. Die Verkehrsnachrichten sprachen von 10 km Stau auf der A8 Richtung Karlsruhe. Also beschloss ich, eine ganz andere Strecke über den Schwarzwald zu nehmen. Mal sehen, was das Navi dazu sagen würde.
Das Navi und ich sind meist unterschiedlicher Meinungen. Ich fahre im Andenken an meinen Seefahrergroßvater nach den Sternen - sprich, ich richte mich intuitiv nach den Himmelsrichtungen, nachdem ich mich bei unbekannten Gebieten vorher mit der Karte vertraut gemacht hatte. Den Schwarzwald allerdings kenne ich, da brauche ich keine Karte.
Das Navi richtet sich nach der Straßenhierarchie. Es wird bei alternativen Möglichkeiten immer zuerst die Autobahn wählen, danach die Bundesstraße. Nun ja, letztendlich lenke ja ich. Doch manchmal macht es dann doch Sinn, dem Navi zu folgen, weil es auch einmal die kürzere Route kennt. Was allerdings nur funktioniert, wenn diese Route nicht durch eine Baustelle blockiert ist. So geschah es im Neckartal. Ich fuhr der Umleitung nach gerade aus weiter. Dann bog die Umleitung nach links ab - das Navi wollte mich weiter nach Horb schicken. Das sind die Feinheiten. Ich folgte, weil logisch, der Umleitung und hatte natürlich Recht, es war kürzer.
Dennoch, die Überquerung des Schwarzwaldes erfordert Geduld und Ausdauer. Denn wenn keine Kurven die Geschwindigkeit bremsen, tun es LKWs. Ich fuhr dann von Freudenstadt bis auf die Schwarzwaldhochstraße hinter einem LKW her, der sich nie schneller als 70 km/h vorwärtsbewegte. Das ist keine Geschwindigkeit, mit der man Hunderte von Kilometern zurückgelegt bekommt. Zum Glück entschied er sich an der Abzweigung auf der Schwarzwaldhochstraße im letzten Moment, doch nach Baden-Baden weiterzufahren. So konnte ich wenigstens den Berg hinunter in meiner Geschwindigkeit fahren.
Im Rheintal wurde das Wetter besser, in Frankreich schien die Sonne.
Ich hatte das Hotel bei Nancy gebucht. Es gehörte zu einer Kette, die ich oft nutze. Dieses Haus kannte ich aber noch nicht.
Obwohl ich keine 300 km gefahren war, war ich gerädert. Ich gönnte mir im Steakhaus nebenan eine Magret de Canard mit Pommes de Terre au four - Entenbrust mit Ofenkartoffel - und schlief danach wunderbar.
Am nächsten Tag war Freitag der 13. in 2013. Ich bin sicher, viele waren überzeugt, das konnte nicht gut gehen. Ich dachte nicht daran, wurde erst abends daran erinnert. Und fand, dass ich dafür die Francelienne eigentlich ganz gut bewältigt hatte.
Denn am Freitag ist die große Strecke zu überwinden, die bis Rennes führt. Das sind knapp 700 km. Bis Paris nehme ich nie die Autobahn, sondern fahre die RN4, die zu großen Teilen vierspurig ausgebaut und vom Süden Deutschlands viel kürzer ist.
Um Paris herum fahre ich immer die berühmte Francelienne, den äußersten Kreis um Paris. Manchmal kann das ganz schön haarig sein, da diese Route sehr befahren ist - und die Pariser nicht sehr rücksichtsvolle Autofahrer sind. Doch heute ging alles problemlos. Es gab keinen Stau. So gesehen: wer am Freitag, dem 13., die Francelienne so gut bewältigt, der kann nicht behaupten, einen Unglückstag erlebt zu haben.
Für die Strecke von Paris bis Rennes ist die Autobahn am Besten. Ich habe alle Alternativstrecken ausgetestet. Man wird schon wegen der vielen Kreisverkehre verrückt. Und es dauert einfach zu lange. Die knapp 30 Euro Maut sind es mir wert, schnell und unkompliziert anzukommen. Autobahnfahren in Frankreich ist meist sehr viel unproblematischer als in Deutschland. Man darf nicht schneller als 130 km/h fahren, woran sich höchstens mal eine Limousine mit deutschem Kennzeichen nicht hält. Und die Autobahnen sind meist verhältnismässig leer, ein Vorteil der Maut. (Ausnahme: Die Route Soleil, die Autobahn an der Rhone nach Süden, aber das ist einen anderen Blog wert...)
Hinter Laval fängt die Bretagne an - und die Maut hört auf. In der Bretagne sind die zweispurigen Straßen Mautfrei, was historisch bedingt ist - keine Abgaben von den armen Bretonen. Allerdings sind es keine Autobahnen, sondern Schnellstraßen - und damit ist die Höchstgeschwindigkeit 110 km/h. Man tut gut daran, daran zu denken, wenn man durch die letzte Mautstation hindurch ist, denn die Straße ist genau so breit und ausgebaut wie vorher. Mir fiel es dieses Mal erst nach einigen Kilometern ein, doch ich glaube nicht, dass ich geblitzt wurde. Vor einigen Jahren war ca. 10 km nach der Mautstation ein mobiles Blitzgerät aufgebaut. Ich fuhr mit 130 km/h auf der linken Spur hinter einem Franzosen her, als es plötzlich blitzte. Das rote Auto wurde ganz langsam und wechselte wie ein getretener Hund auf die rechte Spur. Er wurde wohl seinen Führerschein los.
Ich dagegen fuhr damals weiter, in der Erwartung, am nächsten Parkplatz herausgezogen zu werden. Doch nach drei oder vier Parkplätzen wusste ich, der Kelch war an mir vorüber gegangen.
Heute bin ich vorsichtiger, denn heute kann man auch in Deutschland von den französischen Behörden belangt werden. Und es ist teuer, wenn man zu schnell ist. Sehr teuer.
Bis ich auf der Rocade von Rennes ankam, die ich in nördlicher Richtung nehmen musste, um die Stadt zu umfahren, war Hauptverkehrszeit. Doch ich kam erstaunlich gut voran. Nur kurz kam der Verkehr ins Stocken. Und dann musste ich auch bald abbiegen, um zum Hotel zu gelangen.
Am Samstag schließlich ist der Ankunftstag. Ab da ist mein Haus reserviert.
Von Rennes sind es noch etwa 180 km - knapp 2 Stunden, bis Lannion ist die Straße vierspurig. Und an diesem Ankunftstag habe ich schon immer einen gewissen Ritus: Einkaufen - die Erstausstattung fürs Haus und das Essen fürs Wochenende.
Danach Essen im Le Mao in Ploumanac'h.
Ploumanac'h ist ein hübsches Dörfchen, ziemlich berühmt wegen des Sentier des Douaniers - des Zöllnerweges mit den imposanten Steingebilde. Und natürlich wegen seines Leuchtturms, der jeden Kalender und unzählige Postkarten ziert.
Außerdem sieht man vom Strand aus eine weitere Postkarte: die Insel mit dem berühmten Château de Costaérès, das aber zu Trégastel gehört - und noch immer in Dieter Hallervordens Besitz ist, auch wenn er es wohl verkaufen möchte. Man kann es mieten - mit 15000 Euro pro Woche ein Schnäppchen.
Auf Meeresfrüchte hatte ich heute keine Lust. Eigentlich ist es der Einstieg in diese Leckereien, wenn ich dort esse, aber na ja, ich beschränkte mich dieses Mal auf Austern und in Folie gebackenen Fisch mit Gemüse. Damit wäre die obligatorische Auster auch gegessen - denn eigentlich mag ich die gar nicht so gerne. Als Dessert ein Delice Breton - Früchte mit Sahne, Knusperbröckchen und Karamellsoße, extrem lecker. Der erste Cidre jedoch musste das Ganze hinunterspülen.
Schließlich fuhr ich zum Haus und in den Hof. Madame la propriétaire kam auch gleich herüber, sie hatte mich schon erwartet. Das Geschäftliche war schnell erledigt. Ihr ging es gut, dem Ehemann nicht ganz so - er war alt. Doch es ging ihm den Umständen entsprechend wieder besser, sagte sie. Anscheinend war das nicht immer so gewesen.
Mein Hund war glücklich. Die Reise hatte ihn geschlaucht. Auch ein alter Hund steckt so eine Strecke nicht ganz leicht weg. Doch nun, als er aus dem Auto sprang, war er wieder jung. Er strahlte und hüpfte herum, als wäre er ein Welpe.
Nach dem Auspacken und alles schön Aufräumen gingen wir an den Strand. Wir liefen zur Île Lapin, der Karnickelinsel, die bei Ebbe zu Fuß zu erreichen ist. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch keine Ahnung, welche Zeiten die Tide hatte, doch das ist hier am Grêve Blanche kein Problem, man sieht das Wasser kommen und hat noch immer Zeit, sich danach zu richten. Allerdings sollte man dazu wissen, wie die Tide insgesamt funktioniert, sonst könnte man schon mal gezwungen sein, sechs Stunden auf einer der Inselchen zu verbringen.
Buddy sprang den Strand entlang und fing an, mit einem Stein zu spielen. Das hatte er immer getan, seit wir hierher kamen. Er war damals etwa 9 Monate alt und gerade drei Monate bei mir. Heute ist er ein alter Herr. Doch hier ist er so glücklich, dass man ihm sein Alter nicht anmerkt. Er sprang an mir hoch, als wolle er sich bedanken. Seine Augen blitzen. Er liebte es, hier zu sein.
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Standort:
Trégastel, Frankreich
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