Bei jedem Wetter
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Himmel über Île Grande City |
Ja, die Bretagne hat ein Wetter. Manche behaupten, es sei
immer schlecht. Es würde immer regnen. Sozusagen das, was man für das große
Britannien jenseits des Kanals behauptet, gelte auch hier. Nur – das stimmt
nicht, auf beiden Seiten des Kanals.
Bis jetzt ist das Wetter so schön, mit wenigen
Regenschauern, die nie lange dauern, dass ich kaum Zeit habe, hier im Haus zu
schreiben und den Blog weiterzuführen. Denn es macht wenig Sinn, wenn es
draußen so schön ist, die Zeit im Haus abzusitzen.
Als ich vor 26 Jahren zum ersten Mal in der Bretagne war,
neugierig und naiv, nur das wissend, was ich mir aus irgendwelchen Büchern
vorher angeeignet hatte, und von meinen Erfahrungen auf den britischen Inseln,
fuhren wir im Juni los und blieben bis nach dem Nationalfeiertag am 14. Juli.
Damals war das Wetter zu Hause ziemlich kühl und nass.
Wir begannen die Bretagne dort zu entdecken, wo eigentlich
jeder Neuling anfangen sollte: Am Mont Saint Michel.
Ich werde in diesem Blog nicht weiter auf ihn eingehen, da er nicht in der Bretagne steht. Nur so viel: er ist es wert, besucht zu werden. Man sollte nur schauen, dass man nicht in den Hauptzeiten ankommt. Und auch in den Nebenzeiten tut man gut daran, früh morgens den Besuch zu starten. Wie man heute, wo der Damm mit den Parkplätzen aufgelöst ist, hinkommt, habe ich noch nicht ausgetestet. Aber wie gesagt – er liegt in der Normandie. Bis der Fluss Couesnon sich entscheidet, wieder – wie einst – östlich vom Mont zu münden, wird das auch so bleiben.
Ich werde in diesem Blog nicht weiter auf ihn eingehen, da er nicht in der Bretagne steht. Nur so viel: er ist es wert, besucht zu werden. Man sollte nur schauen, dass man nicht in den Hauptzeiten ankommt. Und auch in den Nebenzeiten tut man gut daran, früh morgens den Besuch zu starten. Wie man heute, wo der Damm mit den Parkplätzen aufgelöst ist, hinkommt, habe ich noch nicht ausgetestet. Aber wie gesagt – er liegt in der Normandie. Bis der Fluss Couesnon sich entscheidet, wieder – wie einst – östlich vom Mont zu münden, wird das auch so bleiben.
Als wir damals „am
Mont“, wie er allgemein liebevoll tituliert wird, ankamen, nächtigten wir auf
einem Camping muncipal, einem städtischen Campingplatz – und wurden ziemlich
nass. Es war kalt und ekelhaft.
Wir fuhren über die
Grenze – den Fluß – in die Bretagne, schauten uns Saint Malo an, besuchten die
Steinarbeiten von Rothéneuf, aßen die ersten Austern unseres Lebens in Cancale,
fuhren weiter am Fort de la Latte vorbei und über das Cap Fréhel. Wir froren
und wunderten uns nicht, denn so war uns die Bretagne beschrieben worden. Wir
stellten uns darauf ein, die nächsten Wochen unserer Reise feucht, kühl und
relativ ungemütlich zu verbringen. Doch wir waren in der Bretagne, und die
faszinierende Küste würde uns entschädigen.
Wir landeten
schließlich an der Côte Granite Rose, in Landrellec, auf einem wunderschönen,
direkt an der Bucht gelegenen Campingplatz.
Und dann wurde es
schönes Wetter.
Während der restlichen
Zeit, die wir den Drachen umrundeten, schien die Sonne, es war warm, fast zu
warm. Ich erinnere mich, dass es auf der Halbinsel Saint Marguerite zwischen
dem Aber Wrac’h und dem Aber Benoit morgens nebelig war, als ich aus dem Auto
kroch. Ich ging dort auf einen der Felshaufen vor der Küste und fühlte mich wie
in den Nebeln von Avalon. Es war angenehm, kühl und wie Seide auf der Haut.
Und dann brach die
Sonne durch den Nebel, der graue Schleier löste sich auf und ein wunderschöner
Tag begann.
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Regen zieht über die Bucht heran |
Genau so ist die
Bretagne. Es kann regnen, es kann stürmen, Nebel kann über das Meer ziehen.
Doch genau so schnell kann die Sonne wieder hervorkommen und alles trocknen.
Ich war noch nie im
Hochsommer hier, für mich ein Glück. Und ich kenne Leute, die ihren Urlaub
abgebrochen haben und nach Süden flohen, weil es angeblich nur regnete. Doch
ich kann sagen: all die Jahre, die ich in die Bretagne reiste, hatte ich noch
nie dauerhaftes schlechtes Wetter.
Ich hatte Herbste
hier, da stieg im Oktober das Thermometer noch bis 30°C, tagsüber. Nachts wurde
es dann angenehm kühl. Im Jahr 2011 schwamm ich in der Bucht gegenüber – Ende
Oktober. Und ich habe keine Lust, ins Meer zu gehen, wenn es kühl ist. Das tat
ich als junges Mädchen, heute nicht mehr.
Auch im Frühjahr, im
Mai und Juni, hatte ich nie dauerhaft schlechtes Wetter. Wenn es regnete, dann
einen halben Tag. Ein ganzer Regentag ist eine Seltenheit.
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mer agitée - tosendes Meer, wenn die Sonne scheint |
Nur 2012 allerdings
hatte ich tatsächlich bei meiner Abreise im November die höchste
Stromabrechnung in meinem Haus, die ich all die Jahre gehabt hatte. Wie fast
überall werden die Ferienhäuser mit Strom beheizt. Im Land der Atomkraftwerke
vermutlich eine logische Entscheidung, auch wenn man heute vermutlich anders
bauen würde. Normalerweise sind es einfache Radiatoren, die an die Wand
geschraubt sind und bei Bedarf eingeschaltet werden. In meinem Haus waren
gerade neue Radiatoren angebracht worden, deren Stromverbrauch der Zeit
entsprechend einiges weniger als beim alten war. Es war trotzdem genug.
Denn in 2012 war es
nur kalt. Schon bei meinem Urlaub im Frühjahr in Finistere war es kalt gewesen.
Die Saison im Juli und August war kalt, erzählte man mir. Selbst wenn die Sonne
schien, war es kalt. Als ich im September ankam, musste ich mindestens morgens
und abends heizen, später teilweise den ganzen Tag. Im November, als ich
abreiste, war es eisig. In Deutschland hatte es jedoch schon im Oktober
geschneit. Der Winter war dort bereits ganz angekommen. Dagegen war es hier
dann doch noch warm. Dennoch – in all den Jahren hatte ich kein so dauerhaft
unangenehmes Wetter gehabt. Ich konnte viele Dinge gar nicht unternehmen, weil
es einfach zu kalt war. Sobald ein Ausflug mit Wasser zu tun hatte, hatte ich
keine Lust. Deshalb besuchte ich in diesem Jahr nicht eine meiner Lieblinge,
die Inseln vor der Küste.
Aber dieses Jahr kann
ich das ja nachholen.
Das Wetter in der Bretagne wird vom Golfstrom massiv beeinflusst. Ohne ihn
wäre es eisig hier. Es gibt jedoch Aussagen, die behaupten, der Golfstrom würde
seinen Lauf ändern – oder ganz verschwinden. Dann hätte Europa insgesamt ein
Problem, soviel habe ich begriffen. Als es in 2012 so kalt war, befürchtete
ich, es habe begonnen.
Doch dieses Jahr muss es sich der Golfstrom anders überlegt haben und
zurückgekehrt sein. Seit ich angekommen bin, ist es fast nur schönes Wetter,
mit ein paar Regenschauern dazwischen. In der zweiten und dritten Woche war es
fast schon zu warm, schwül, fast unangenehm. Und es gab Gewitter. Ende der
dritten Woche, also in der ersten Oktoberwoche, wechselte das zu heiße Wetter
in herbstliches. Seither ist es morgens kühl, wird über den Tag warm und
sonnig, um abends wieder abzukühlen, so wie es sich gehört.
Wie sehr der Herbst angekommen ist, sehe ich heute, als ich die Île Grande
wieder einmal umrunde. Ich breche erst mittags auf, da morgens noch Hochnebel
über dem Meer liegt. Mittags jedoch scheint die Sonne. Und das Licht auf der
Insel ist faszinierend. Das Meer mit seinen Inselchen präsentiert sich mit
scharfen, klaren Konturen in fast unnatürlichen Farben.
Als ich am westlichen Ende der Insel, am Hafen mit den Fischerbooten,
ankomme und über die Bucht von Lannion sehen kann, hinüber nach Locquirec, sehe
ich hinter dem Leuchtturm eine Nebelwand herankommen. Der Himmel ist hellblau,
die Aquarellfarben des Grases, der Steine, sind klar – doch aus dem Meer kriecht
die graue Wand wie eine Bedrohung.
Irgendwie erinnere ich mich, da gab es doch diesen Film: Fog… Aber das
geschah ja in San Francisco und nicht hier an der Côte Armor.
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Die Nebelwand zieht heran |
Ich gehe weiter, am ornithologischen Zentrum vorbei zur Nordküste. Und dort
kriecht die Wand über das Meer, riesig, weiß und grau, dumpf wie eine Decke.
Die Sonne scheint noch immer, noch hat der Nebel das Ufer nicht erreicht.
Draußen, neben le Corbeau, dem Felsen, der wie eine Burg aussieht,
schwimmen weiße Punkte. „Puces“ nennt mein Schwager sie. Flöhe. Eine
Segelschule. Ganze Schulklassen gehen hier zusammen segeln, in kleinen Nussschalen.
Segeln ist für diese Kinder so selbstverständlich wie für andere Volleyball.
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Flöhe im Nebel - mit Kakerlake |
Zwischen den Flöhen schwimmt eine dicke orange Kakerlake – der Lehrer im
Gummiboot. Fasziniert schaue ich hinaus. Wird er seine Flöhe einsammeln und vor
dem Nebel retten? Der Nebel ist inzwischen näher gekommen, hat fast den Felsen
erreicht. Und dann streicht er über die kleinen Boote. Das gerade noch scharfe,
konturenreiche Bild, die hell von der Sonne beleuchteten Boote versinken in
Watte. Weich streifen die Nebelschwaden über die weißen Punkte. Doch ich
verliere sie nicht aus den Augen, sie verschwinden nicht in der weißen Wand.
Schließlich atmet die Luft auf und wird wieder hell, die Sonne bescheint
die Boote erneut, der Nebel ist darüber hinweg. Ist er vom Land aufgehalten
worden? Denn bei mir auf dem Küstenweg sind keine feuchtkalten Schwaden
angekommen. Hat die Wärme des Bodens sie aufgelöst, bevor sie landen konnten?
Vermutlich könnte ein Meteorologe es erklären. Ich staune einfach nur.
Vermutlich bedeutet der Nebel den Wetterbruch. Ich nehme an, das sommerlich
warme Wetter ist nun vorbei, der Herbst ist angekommen. Doch auch wenn es nun
vielleicht einige bewölkte Tage mit einzelnen Regenschauern geben wird,
vielleicht sogar einen Sturm, wird es die Sonne dennoch zurückkommen. Statt in ärmellosen
Shirts und kurzen Hosen meine Ausflüge zu machen werde ich mich nun wärmer
kleiden müssen. Doch die Luft wird klarer sein, die Konturen schärfer und die
Farben brillanter.
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