Freitag, 1. November 2013

Île aux Lapin



Île aux Lapin
Die Insel der Kaninchen – wenn man sie genau anschaut, ahnt man, wie sie zu ihrem Namen kam. Zwei der riesigen Granitfelsen sind wie Kaninchenohren geformt. Allerdings ist sie auch mit Kaninchenlöchern durchsiebt. Diese winzigen kleinen Tierchen sind in der Bretagne überall am Meer zu finden.
Felsenchaos mit Ohren
Die Insel liegt nur wenige Meter vom Festland, von der Ecke der Grève Blanche, an der die Segelschule steht, entfernt. An dieser Ecke des Strandes ist ein kleiner Felsenhaufen, von dem aus auf der anderen Seite ein Damm aus Sand und kleinen Steinen zur Insel hinüberführt. Dieser Damm ist noch lange begehbar, wenn das Wasser aufläuft. Bei niederen Koeffizienten ist er nur kurze Zeit ganz überflutet.
Das Wasser nähert sich von beiden Seiten
Ich habe schon Touristen schockiert, weil ich noch hinüber zur Insel ging und auf sie hochkletterte. Sie standen an dem Felsenhaufen am Beginn des Dammes und starrten entsetzt zu mir hinüber. Offensichtlich konnten sie die Tide nicht einschätzen. Doch ich bin schon so oft hier gewesen, dass ich weiß, wie lange es dauert, bis der Damm überflutet wird. Auch weiß ich genau, wo das Wasser sich von beiden Seiten hier trifft und habe oft zugeschaut, wie es steigt und schließlich zusammenfließt. Bei diesem Spiel ist es nur wichtig zu beachten, dass dieser Punkt sich von einem Jahr zum anderen ändern kann, genau wie die Sandbänke in der Bucht, die umspült werden, bevor das Wasser sie überspült. Durch die Stürme im Herbst und Frühjahr kann sich die Oberfläche des Meeresbodens ändern – und dann ändern sich auch diese Strömungen.
Der Granitsockel der Insel ist relativ einfach zu besteigen, wenn man weiß wo. Doch das machen so viele Leute aller Altersgruppen, dass man nur einmal zuschauen muss und dann kennt man die Zugänge für unsportliche Menschen.
Auf der Insel gibt es mehrere massive Felsen in phantasievollen Gestalten. Und es gibt die Hasenohren. Eines dieser Ohren liegt so, dass sich unter seiner schmalen Spitze ein Raum bildet. Ein troglodytischer Raum, an dem auf den drei offenen Seiten Reste einer Mauer zu sehen sind. Die Felsen auf dem Boden dieses Raumes scheinen natürliche Möbel zu ergeben, man braucht nicht einmal viel Phantasie dazu, zwei Bänke, einen Tisch, ein Bett und eine Feuerstelle zu erkennen.  

Das Haus des Zantig

Reste der Mauer sind unter dem Felsen zu sehen
Dieser troglodytische Raum wurde von Zantig gebaut, einem Außenseiter der Gesellschaft. Er hieß mit richtigem Namen Alexandre Marie Lefebvre (1893-1968).
Seine Geschichte wurde mündlich von Sylven Gourvil berichtet:
Die troglodytische Behausung in Gesamtansicht
Alexandre Marie Lefebvre, genannt Zantig, wurde am 24. März 1893 in LeHavre als Sohn der Marie Perrine Ropars und des Eugène Maximilien Lefebvre, von Beruf Seeman, geboren. Er wuchs jedoch mit seinen Geschwistern beim  zweiten Ehemann der Mutter, einem Russen namens Michel Kradtzoff, in Pleumeur-Boudou auf. Es waren vier Geschwister. Ein Bruder wurde Fischer, ein andere Wilderer in Pleumeur-Boudou. In jungen Jahren wurde der Junge einer Pflegemutter in Trégastel übergeben. Er erhielt keine
Damals - eine von Zantigs Postkarten
Bildung, sondern begann mit 13 Jahren auf dem Bau zu arbeiten. Mit 18 Jahren ging er zur Fremdenlegion. Dort erhielt er während einer Disziplinierung eine Ganzkörpertätowierung, Pfau und Schlange.
Doch bekannt wurde er durch seine Zeit auf der Île aux Lapin, die auch auf einen Schiffbruch zurückgehend l'Île aux Croix, die Insel mit dem Kreuz, genannt wurde.  
1930 baute Zantig aus Backstein die Schutzhütte, eine Art Wohnung, unter dem Felsen. Der Felsen wird noch heute „Roche Zantig“ genannt, der Felsen des Zantig. Er lebte vom Fischen zu Fuß – pêche à pied, noch heute eine beliebte Freizeitbeschäftigung, bei der bei Ebbe der Meeresboden und die Felsen nach Meeresgetier abgesucht wird. Er fischte auch von seinem 4,5 m langen Boot „Les Perdreaux“ – „die Rebhühner“ wäre das zoologisch, doch irgendwie gibt es auch eine etwas derbere Bedeutung –  „der Bulle“ – dafür. Ich tendiere zu letzterem.
Felsengebilde
Seine Beute verkaufte er an Touristen und Einheimische. Außerdem erhielt er für seine Dienste als Seemann 6. Klasse bei der Küstenschifffahrt von 1929-1942 eine Rente.
Er benutzte eine Seilwinde, um die Insel mit dem Festland zu verbinden. Außerdem hatte er eine kleine Herde und schoss „Wasservögel“ mit einer Flinte aus dem ersten Weltkrieg.
Während des 2. Weltkrieges – als die Deutschen die Bretagne besetzt hatten und die Küste befestigten, um eine Invasion abzuwehren, die dann in der Normandie stattfand – wurde er von der Insel vertrieben und fand Zuflucht in einem verlassenen Haus an der Grève Blanche.
Zantig hatte nur wenige Freunde. Zu ihnen gehörte der, den sie „Otter“ riefen und der in einem Bunker lebte, ein anderer Außenseiter an dieser Küste, wie auch Vater Adam, der im Schutz des Felsens unter dem „Père Eternel“ hauste. Heute ist dort das Aquarium von Trégastel.
Naturkunst
Zu Zantigs Tod 1968 gibt es verschiedene Versionen. Die einen behaupten, er starb an einer Lungenentzündung, die anderen, man habe ihn nackt und sauber rasiert auf seinem Bett gefunden. Er wurde mit der Ehre eines Veteranen zur Kirche geleitet und auf dem Friedhof beigesetzt. In einer weiteren Version starb er in seiner Behausung und wurde von „Gwénojen“, einer Art Wichtel, dort abgeholt und auf dem Friedhof von Trégastel begraben.
Zantig hatte immer eine Faszination ausgeübt und übt sie noch heute aus. Er war in sich ein Kunstwerk. Er war extravagant, exzentrisch, sarkastisch gegen Touristen und den Frauen gegenüber verführerisch, wenn er mit seiner Barke zwischen den Inseln herum glitt. Er schrieb und sang und vermittelte seine Sicht der Dinge beängstigend dämonisierend. Er verkörperte die Phantasie, lebte den Traum der Freiheit. Damit war er wie eine Figur aus den alten Geschichten und Märchen, die die Küste der Bretagne umwehen.
Les sept îles

1 Kommentar:

  1. Toll, Eva Mir fehlen ein bisschen die bretonischen Menschen(aktivitäten) auf deinen Fotos. Aber ich weiß ja, dass du die nicht aufs Foto bannen musst, um zu genießen. Zum Lesen der Texte komme ich irgendwann einmal auch noch. Bestimmt gut. Alles Schöne wünscht Inken. (die müde sich gleich ein Schläfchen gönnt; obwohl ihr ja die Winterzeit vielvielviel besser bekommt als die Sommerzeit)

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